Was ist Mastozytose?
- Leolynn Grayná
- 27. Mai 2020
- 6 Min. Lesezeit
Eine Mastozytose beschreibt eine Krankheit der Mastzellen in Knochenmark oder Haut. Davon gibt es verschiedene Formen. Meine erste Diagnose trägt den zungenbrecherischen Namen
Makulopapulöse kutane Mastozytose (früher Urtikaria Pigmentosa)
Das ist die häufigste Form der Hautmastozytose und äußert sich in bräunlichen Flecken. Das sind kleine Haufen von Mastzellen (Mastozyten). Die sind ganz normal und die hat jeder Mensch. Nur bei Mastozytose sind es viel mehr Mastzellen. Deren Arbeitsbereich gehört zum Abwehrsystem und sie speichern die Botenstoffe Histamin und Heparin. Bei Kontakt mit Allergenen schüttet die Mastzelle nun ihr gespeichertes Histamin aus und es kommt meist sofort zu einer Reaktion (wie zum Beispiel das Anschwellen eines Insektenstichs). Nur was, wenn da zu viele von da sind und die zu schnell auf Kleinigkeiten reagieren?
Ich hatte als Kind Nesselsucht (Urtikaria) und Quaddelbildung auf den Flecken (Quaddeln sind mit Flüssigkeit gefüllte Blasen). Meine ersten Symptome hatte ich, da war ich gerade mal 6 Wochen alt. Das war wahrscheinlich nicht einfach für meine Eltern. Aber eigentlich heilt diese Form der Mastozytose bis zum Erreichen des Erwachsenenalter wieder ab. Bei mir war das wahrscheinlich auch der Fall - nur -
Mastozytose kann ihre Form verändern
Die systemische Mastozytose
Diese Form der Mastozytose sitzt in den Knochen und/oder Organen. Genau wie bei der Hautmastozytose sind es die Mastzellen, die zu viel vorhanden sind. Nur machen sie dann Probleme in den Organen. Bei mir ist es noch nicht sicher, welche Form der systemischen Mastozytose ich genau habe, da stehen mir noch ein paar Untersuchungen bevor.
Diese Form tritt meist erst im Erwachsenenalter auf und verläuft dann chronisch. Das heißt, einmal da, bleibt sie für immer. Ach, irgendwie schön, oder?
Es gibt gefährliche Formen der Mastozytose, die dann richtige Schäden in den Organen oder im Knochenmarkt anrichten, aber das ist noch seltener, als die Krankheit an sich schon.
Wie kommt man an eine Mastozytose?
Entwarnung: Es ist nicht ansteckend. Vererbbar auch nicht. Also mein Sohn ist sicher.
Aber woher kommt denn jetzt nun eine Mastozytose?
Genetische Mutation. Oder wie ich es nenne: Fehler im Bauplan.
Irgendjemand hat bei meinem Bauplan gepfuscht und die Zahlen falsch eingestellt. Jetzt werden viel mehr Vorläuferzellen im Knochenmark gebildet, die später zu Mastzellen ausreifen, als eigentlich vorgesehen.
Wirklich machen kann man dagegen nichts. Genauso wenig wie man etwas gegen Sommersprossen machen kann ( Davon hab ich auch welche, aber die habe ich lieb)
Man kann nur lernen mit den Folgen einer Mastozytose zu leben, die Symptome zu behandeln und Trigger zu meiden.
Von Symptomen und Triggern
So an sich klingt ja eine Mastoyztose erstmal nicht schlimm, aber die Symptome und Trigger haben es in sich. Trigger sind oft ganz individuell und bringen die Mastzellen dazu, ihr Histamin auszuschütten und damit Symptome auszulösen.
Meine persönlichen Symptome sind:
ab und zu Hustenreiz.
Wenn ich einen Trigger abbekommen habe, juckt es mich auch überall, manchmal schwellen dann auch meine alten Hautflecken wieder an und machen sich bemerkbar.
Hitzegefühl. Mir wird dann urplötzlich ganz heiß, obwohl mir kurz vorher eigentlich eher kalt war.
Schwindel. Oh mit dem habe ich ganz viel zu kämpfen gehabt. Als ich noch nicht Histamin im Essen vermieden habe, war der Schwindel so schlimm, dass ich ständig hingefallen bin und eine Zeit sogar nicht richtig laufen konnte. Diese Art von Schwindel wo es dir schwarz vor Augen wird und alles um dich herum in einer liegenden Acht schleiert.
Müdigkeit. Ständig und immer müde. *gähn* auch gerade jetzt, wo ich diesen Beitrag schreibe. Dabei habe ich wunderbar geschlafen und noch nichts anstrengendes gemacht.
Schwächegefühl. Mir ist öfter Mal dann einfach was aus der Hand gefallen, ich hatte keine Kraft mehr um einen Wäschekorb zu heben oder gar damit eine Treppe zu laufen. Heute warte ich immer gute Momente ab und die schwachen Momente mache ich dann eine sitzende Tätigkeit. Blogbeiträge schreiben zum Beispiel.
Herzrasen. Kommt oft gleichzeitig mit Schwächeanfällen oder Kreislaufproblemen.
Anfallsartiger Blutdruckabfall. Fühlt sich an wie ein Kreislaufzusammenbruch. Kennt man aus Filmen in denen Leute zu lange in der Wärme geblieben sind. Es tritt selten ein Symptom alleine auf
Allergischer Schock. Hatte ich jetzt drei oder vier Mal. Einmal etwas schlimmer, da habe ich während einer OP intravenös ein Schmerzmittel bekommen, dass ich nicht vertragen habe. Das führt dann zu Blutdruckabfall und zu Zuckungen und Krampfungen am ganzen Körper. Und zu meinem Leidwesen auch zu Erbrechen. Bei kleinen allergischen Schocks, (hatte ich letztens noch Dank einer gemeinen Monster-Mücke) geht einfach nur mein Kreislauf runter, ich kann nicht mehr klar denken und habe das Gefühl ich falle gleich in Ohnmacht und wache nicht mehr auf. Wie gegen seinen Willen einschlafen und das bei Herzrasen.
Seit neuestem: Harndrang. Ich muss mal! Sekunde, bin gleich wieder da.
So ziemlich alles was bei Nervensystem steht: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Depression, Gedächtnisstörungen, Reizbarkeit. Zum Glück kein Dauerzustand, sondern nur, wenn mein "Histamin-Fass" nahezu voll ist. Wenn ich schreibe fallen mir immer gut Wörter ein, aber wenn man mit mir redet... Die Depressionen schiebe ich meistens auf die Frustration, die diese Krankheit mit sich bringt. Eben nicht das alleine schaffen zu können, was man gerade machen will. Und das Gefühl sein Leben lang abhängig zu sein.
Knochen- und Muskelschmerzen. Aua. Ich dachte früher immer, dass meine Unterarme und Schienbeine weh tun, weil ich noch wachse. Das waren wirklich die Knochen, die weh taten. Aber wenn man dann 17 ist und seit 2 Jahren keinen Zentimeter mehr größer geworden ist, können es ja schlecht Wachstumsschmerzen sein.
Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich ein Bauch normal anfühlt. Ich teile ein in: nur ein bisschen ziehen, leichte Bauchschmerzen, das ist normales Level, Aua das tut weh und lass mich Ruhe, hab aua, kann nicht reden. Meine Leber und Milz sollten mal wieder nachgeschaut werden, aber dank eines Gallensteins hab ich meine Gallenblase nicht mehr. Nur Gewichtsverlust habe ich nicht. Ich esse nicht gerne, da ich meistens Bauchschmerzen nach dem Essen bekomme und oft alle meine Symptome und mein Kreislauf absacken, wenn ich was gegessen habe. Doch mein Hungergefühl funktioniert einwandfrei. Und ich steh auf Süßes. Hallo meine Speckröllchen!
All diese Symptome werden von verschiedenen Triggern ausgelöst.
Diese Trigger können echt alles mögliche sein. Ein anderes Wort wäre Auslöser.
Trigger sind also Sachen, Dinge, Stoffe, Reizungen oder sonst was, die eine Reaktion der Mastzellen auslösen.
Allgemein bekannte Trigger für Mastozytose sind zum Beispiel:
Infektionen - Bakterien, Pilze, aber vor allem Viren. Zum Beispiel eine blöde Erkältung setzt mich für mindestens 2 Wochen komplett außer Gefecht.
Medikamente - Da habe ich eine ganze Liste. Vieles davon sind Schmerzmittel wie Aspirin, Novalgin und Morphin. Aber auch Narkosemittel und Rötgenkontrastmittel.
Nahrungsmittel - Hefe, Soja, Weizen, Hülsenfrüchte, ein paar Nüsse, Tomaten, Gewürze, ein paar Obstsorten wie Äpfel und Bananen und so ziemlich alles, was haltbar gemacht, eingelegt oder sonst wie gealtert ist. (Käse, Gurkengläser, Bier, Wurst, Dosenmais) Um nur ein paar zu nennen.
Alkohol - nicht nur zum trinken, sondern auch in Medikamenten.
Physikalische Trigger - kurz gesagt: Wetter. Hitze, Kälte, Themperaturschwankungen und Sonneneinstrahlung. Dazu kommen noch Druck und Reibungen - wie z.B. bei einer Massage
Psychische Trigger - Starke Emotionen , Stress, Aufregung
Insekten - Stiche, Bisse, Quallenverbrennungen. Aber auch Pestizide, Schimmel und Umweltgifte
Physische Trigger - körperliche Anstrengung, zu wenig Schlaf, Schmerzen, Verletzungen und Sport (Sport ist Mord bekommt eine völlig neue Bedeutung)
Zusatzstoffe - Farbstoffe, Geschmackstoffe, Konservierungsstoffe in Lebensmittel und Medikamenten
Parfum/Chemie - Farbstoffe, Geschmackstoffe, Konservierungsstoffe in Lebensmittel und Medikamenten
Ja und jetzt?
Wenn man Mastozytose hat, geht es dann hauptsächlich darum, diese Trigger zu vermeiden. Man bekommt nach der Diagnose auch ein Notfallset verschrieben, das man immer dabei haben sollte und die Leute, die dich immer umgeben sollten wissen, was im Notfall zutun ist. (Da ist dann auch ein ein Epipen dabei, den man sich bei einem anaphylaktischen Schock ganz dramatisch in den Oberschenkel jagen muss, hab ich zum Glück noch nicht erlebt)
Dazu gibt es eine Vielzahl von Histaminblockern, Antihistaminika, die man jeden Tag einnehmen kann.
Meine Lieblinge sind Loratadin, ein Antiallergikum in Form von kleinen Pillen, die ich gefühlt wie Smarties schlucken könnte. Ganz lieb habe ich meine Fenistil Tropfen. Fenistil kennen die Meisten als Salbe für Insektenstiche, das gibt es eben auch als Tropfen zum trinken. Im Notfall sollte man 1/3 der Flasche trinken. Mir reicht es wenn ich einmal dran ziehe, die Wirkung tritt etwas später und nicht so stark ein, aber man hat länger etwas von dem Fläschchen. Das hilft mir momentan sehr gut und ich kann dadurch tatsächlich auch ein bisschen produktiv sein. Das Dritte wäre Daosin. Die Bestellung wird demnächst ankommen und dann kann ich das auch mal ausprobieren. Das soll man eine Viertelstunde vor dem Essen nehmen und das bindet Histamin in der Nahrung bevor es aufgenommen werden kann. Ich bin ja mal gespannt, ob und wie viel ich davon mitbekomme.
Das eigentliche Problem bei der Mastozytose ist eben oft nicht, damit umzugehen oder das man dramatische Notfälle erlebt, aus denen man errettet werden muss oder im Krankenhaus landet, sondern dass sie so unscheinbar ist. Sie behindert einen jeden Tag, schränkt einen ein klein bisschen ein und durch die wirklich große Bandbreite an Symptomen und Triggern ist es eine wahre Herausforderung, erst einmal die Diagnose Mastozytose an sich zu bekommen. Die Krankheit ist selten und schwer zu entdecken. Wenn es nicht gerade die Hautmastozytose ist, braucht es meist schon eine Knochenmarkbiopsie, um das wirklich zu erkennen. Und ich habe leider die Erfahrung machen müssen, dass viele Ärzte nicht einmal wirklich wissen, was Mastozytose überhaupt ist.
Ich kann nur die lieben Menschen von dem Verein Mastozytose-info.de empfehlen. Die kämpfen momentan ganz stark dafür, dass die Krankheit bekannter wird, mehr Ärzte darin geschult werden und die Diagnose besser und schneller gestellt werden können. In der Hoffnung, dass das Leben für Betroffene und Angehörige leichter wird.

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